Regionalprodukte als Entwicklungsmotoren der Alpen
Im Val Müstair profitieren Landwirtschaft, Gastronomie und Tourismus von der Förderung regionaler Produkte. Das Projekt zur regionalen Entwicklung (PRE) hat Investitionen in die lokale Verarbeitung und Vermarktung ermöglicht und die regionale Wirtschaft gestärkt.
%20Gaudenz%20Danuser.jpg?rect=0%2C2%2C810%2C456&w=1024&auto=format)
Die Stärke liegt in der Zusammenarbeit
Das Val Müstair befindet sich südlich der Alpen am äussersten Zipfel der Schweiz. 15 Prozent der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft beschäftigt und der Grossteil der Betriebe ist bio-zertifiziert. Die Hauptbetriebszweige sind die Rinderzucht und die Milchproduktion. 34 Landwirte haben gemeinsam mit dem Jägerverein Turettas und der Biosfera Val Müstair die Agricultura Jaura GmbH gegründet. Sie ist Trägerin des Projekts zur regionalen Entwicklung (PRE) Val Müstair. In den vergangenen sieben Jahren wurden knapp zehn Millionen Franken investiert, mit dem Ziel die Verarbeitungsstrukturen im Tal zu verbessern und die Vermarktung zu bündeln. Bund und Kanton haben das PRE mit total vier Millionen Franken à-fond-perdu Beiträgen unterstützt. Die Förderung hat viel bewegt.
Erhalt der Milchverarbeitung
Die Chascharia Val Müstair besteht seit 1987. Jedes Jahr beliefern zwölf Landwirte aus dem Tal die Chascharia mit rund 1.5 Millionen Kilogramm Kuhmilch und 5'000 Kilogramm Ziegenmilch. Um bestmöglichen Geschmack zu garantieren, verzichten die Bauern auf Silofütterung. Dies resultiert in qualitativ hochstehenden Biomilchprodukten wie Joghurt, Rahm, Butter und vor allem Käse. Jährlich werden über 100 Tonnen Halbhart- und Hartkäse produziert, welche bereits mehrfach ausgezeichnet wurden. Dank dem PRE findet die Käseproduktion seit 2017 in neuen Räumlichkeiten statt und die Heuraumkapazitäten auf den Betrieben wurde erweitert.
Neubau eines regionalen Schlachthofs
Besitzerin der 2021 neu gebauten Bacharia mit eigenem Schlachthof und Fleischverarbeitung ist die Società Bacharia Jaura. 360 Tiere werden pro Jahr geschlachtet und verarbeitet. Bis dahin war die Schlachtung einer grösseren Anzahl Tiere wegen fehlenden Verarbeitungskapazitäten im Tal nicht möglich. Die Fleischproduzenten waren gezwungen ihre Tiere im Engadin, in Cazis oder in Mals zu schlachten. Dank dem PRE sind nun die Transportwege insbesondere auch für die Direktvermarkterinnen und Direktvermarkter kurz und das Tierwohl dadurch verbessert.
Modernisierung der bestehenden Getreidesammelstelle
Der Getreideanbau und die Getreideverarbeitung haben im Val Müstair eine lange Tradition. Allerdings ist die Anbaufläche bis 2017 markant zurückgegangen. Das gesamte Getreide wurde, abgesehen von wenigen Ausnahmen, nach der Ernte und Trocknung ausserhalb des Tals weiterverarbeitet. Die PRE-Beiträge von Bund und Kanton trugen zur Modernisierung der bestehenden Getreidesammelstelle bei. Dadurch kann ein Teil des Getreides vor Ort gemahlen und als hochwertiges Mehl verkauft werden. Das biologische Getreidemehl ist so gefragt, dass es schon beim Anbau fast komplett verkauft ist. Trägerin der Getreideverarbeitung ist die Società Graun Jaura.
Gemeinsame Vermarktung mit der Biosfera
In der Vermarktung setzt die Agricultura Jaura GmbH ganz auf das Motto «Gemeinsam sind wir stark». Sie haben ihre Kräfte mit der Biosfera Val Müstair gebündelt. Alle Produkte der Chascharia, einige Erzeugnisse der Bacharia und das Bio-Getreidemehl sind mit dem Produktelabel der Biosfera Val Müstair ausgezeichnet. Die Biosfera ihrerseits arbeitet eng mit ihren Partnerbetrieben zusammen. Diese setzen sich unter anderem für die Stärkung der regionalen Wertschöpfung ein. Wo immer möglich bevorzugen die Betriebe Produkte und Dienstleistungen aus dem Val Müstair.
Regionalprodukte als Botschafterinnen
Durch das Zusammenspiel zwischen der Landwirtschaft, der Gastronomie und dem Tourismus entsteht ein attraktives Angebot für Einheimische und Gäste. Mit Messer und Gabel bestückt werden Konsumentinnen und Konsumenten zu Landschaftspflegerinnen und Landschaftspflegern. Diese Wertschätzung und Nachfrage führt zur Produktion von Rohstoffen in den Regionen. Der Ackerbau trägt zum für die Region typischen Landschaftsmosaik von Heuwiesen und Ackerland bei. Das aromatische Bergroggenbrot wird in der Region produziert und in die Hotels geliefert. Auf dem Frühstücksbuffet oder auf dem Zvieri-Plättli findet der Gast das Bergroggenbrot neben dem Käse aus der Chascharia und den Fleischerzeugnissen der Bacheria.
Regionale Entwicklung und Identität
Dieses Projekt zur regionalen Entwicklung zeigt eindrücklich: Regionalprodukte sind Entwicklungsmotoren in den Alpen. Sie schaffen regionale Wertschöpfung, Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Wichtiges Wissen wird erhalten und an die nächste Generation weitergegeben. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur regionalen Identität, zu Kultur und zum lebendigen Brauchtum. Und so bleiben auch abgelegene Täler wie das Val Müstair lebenswert.