Die sozialen, gesundheitlichen, ökologischen und wirtschaftlichen Komponenten im Ernährungssystem stehen in vielfältigen Beziehungen zueinander, werden aber oft isoliert voneinander behandelt. Ganzheitlichere und kohärente Massnahmen sind nötig, die diesem Umstand Rechnung tragen. Dabei gilt es, Zielkonflikte und Synergien zu erkennen und unter Miteinbezug aller relevanten Akteure, den sogenannten Stakeholdern, anzugehen. Um dies zu tun, braucht es einen Ansatz, der das Ernährungssystem ganzheitlich betrachtet. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) trägt dazu bei, diesen Ernährungssystemansatz international wie auch national voranzutreiben, insbesondere in seiner Rolle als Co-Leiter des One Planet Network (10YFP) Sustainable Food Systems Programme.
Die Ernährungssicherheit wird von der FAO in ihrem globalen strategischen Rahmen für Ernährungssicherheit folgendermassen definiert: «Die Ernährungssicherheit ist dann gewährleistet, wenn allen Menschen zu jeder Zeit der physische, soziale und wirtschaftliche Zugang zu ausreichend gesunden und nahrhaften Nahrungsmitteln gewährleistet ist, die ihre ernährungsphysiologischen Bedürfnisse und Vorlieben befriedigen, um ein gesundes und aktives Leben zu führen. Die vier Pfeiler der Ernährungssicherheit sind Verfügbarkeit, Zugang, Verwendung und Stabilität. Die ernährungsphysiologische Komponente ist fester Bestandteil des Konzepts der Ernährungssicherheit.
Im Jahr 2020 publizierte die Hochrangige Expertengruppe (High Level Panel of Experts, HLPE) des Welternährungsausschusses der Vereinten Nationen (Committee on World Food Security, CFS) einen Bericht mit dem Titel «Food Security and Nutrition: Building a Global narrative towards 2030», der ein erweitertes Verständnis von Ernährungssicherheit und Ernährung durch die Dimensionen Nachhaltigkeit und «Agency» festhält. Danach ist Ernährungssicherheit nur dann gegeben, wenn Nahrung verfügbar, zugänglich und verwertbar ist, wenn Individuen und Gruppen ihre Ernährung und Landwirtschaft selbst bestimmen können und wenn Nahrung nachhaltig produziert wird. Das um die Dimensionen Nachhaltigkeit und «Agency» erweiterte Verständnis von Ernährungssicherheit und Ernährung unterstreicht die Schweizer Position des systemischen und ganzheitlichen Ansatzes der Ernährungssysteme.
Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges ist es den Ernährungssystemen gelungen, einer rasch grösser werdenden Weltbevölkerung ein immer grösseres Angebot an vielfältigen Nahrungsmitteln zur Verfügung zu stellen. Diese grosse Leistung ist jedoch nicht spurlos geblieben: Die Ernährungssysteme sind Treiber des Klimawandels, des Biodiversitätsverlusts sowie einer Vielzahl weiterer Herausforderungen weltweit. Gleichzeitig leiden sie aber auch an den Folgen dieser Herausforderungen. Es werden nur ungefähr zwei Drittel aller produzierten Lebensmittel auch verzehrt – der Rest geht verloren bzw. wird verschwendet. Nicht übertragbare Krankheiten, die auf unausgewogene Ernährungsgewohnheiten zurückzuführen sind, sind zu einem Hauptrisiko für die menschliche Gesundheit geworden. All dies unterstreicht die Notwendigkeit für eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit.
Ein Ernährungssystem umfasst alle Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette von Nahrungsmitteln – einschliesslich deren Verzehr und Entsorgung – und damit in Verbindung stehende Elemente (z. B. Infrastruktur, Marketing) sowie deren Wirkungen, einschliesslich auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Es kann als nachhaltig betrachtet werden, wenn die Ernährungssicherheit für alle Menschen gewährleistet ist, ohne die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Grundlagen für gegenwärtige und zukünftige Generationen zu beeinträchtigen. Das Bundesamt für Landwirtschaft setzt sich auf drei Ebenen für nachhaltige Ernährungssysteme ein:
Nachhaltige Ernährung
Unter einer nachhaltigen Ernährung verstehen wir Essgewohnheiten mit geringen Umweltauswirkungen, die zu einem gesunden Leben beitragen und die die Lebensgrundlage für gegenwärtige wie auch zukünftige Generationen erhalten. Eine nachhaltige Ernährung schützt die Biodiversität und das Klima, ist kulturell akzeptabel, nahrhaft und gesund sowie wirtschaftlich fair und erschwinglich. Das Konzept der nachhaltigen Ernährung stellt die Verbindung zwischen der Produktionsseite und der Konsumseite im Ernährungssystem her. Sie trägt zur Gesundheit der Menschen wie auch des Planeten bei.
Folgeprozess zum UNO Ernährungssystemgipfel 2021
Angesichts der vielfältigen Herausforderungen in den Ernährungssystemen weltweit fand im September 2021 ein UNO-Ernährungssystemgipfel statt.
Über 150 Mitgliedsländer präsentierten ihre Prioritäten für die Transformation ihrer Ernährungssysteme und sicherten ihr Engagement innerhalb von internationalen Multi-Stakeholder-Koalitionen zu, die sich im Kontext des Gipfels gebildet hatten.
Ein Hauptresultat des Gipfels ist die starke Dynamik und der Konsens über die Notwendigkeit, eine Transformation der Ernährungssysteme herbeizuführen. Im Kontext des Gipfels wurden rund 30 Koalitionen lanciert und über 110 Länder haben nationale Fahrpläne zur Transformation ihrer Ernährungssysteme entwickelt und eingegeben. Ein Nachfolgeprozess in Form von zweijährlichen Konferenzen bis 2030 wurde aufgesetzt, um die Umsetzung der Resultate zu begleiten.
Der nationale Fahrplan der Schweiz basiert auf der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 (SNE 2030) sowie auf den Ergebnissen der Dialoge, die zwischen März und Juni 2021 als Vorbereitung auf den Ernährungssystemgipfel stattfanden. Weiter ist die Schweiz den Koalitionen zur Agrarökologie sowie jener zu gesunder Ernährung von Nachhaltigen Ernährungssystemen beigetreten.
Agenda 2030 und Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030
Mit der Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 (SNE 2030) und ihrem Aktionsplan 2021-2023 definiert der Bundesrat die Transformation hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen als ein Schwerpunktthema für die Schweiz zur Umsetzung der Agenda 2030 und deren Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals (SDGs)). Er legt dafür vier Ziele zu gesunder und nachhaltiger Ernährung, Reduktion von Lebensmittelverschwendung, Reduktion von Treibhausgasemissionen entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette sowie umwelt- und tierfreundlicher Landwirtschaft fest. Der dazugehörende Aktionsplan 2021-2022 legt weitere Details fest.
Agrarökologie
Agrarökologie bezeichnet eine ganzheitliche, systemorientierte und wissenschaftsbasierte Landwirtschaft, die sich an sozialen, kulturellen, politischen, ökonomischen und ökologischen Prinzipien orientiert und dabei die bäuerlichen Erfahrungen und das gemeinsame Lernen ins Zentrum stellt. Lokale und innovative Vermarktungsmodelle, welche die Produzentinnen und Produzenten, Verarbeiterinnen und Verarbeiter und Konsumentinnen und Konsumenten näher zusammenbringen, gehören dazu. Agrarökologie trägt dazu bei, nachhaltige Ernährungssysteme aufzubauen.
Die Schweiz betrachtet die Agrarökologie als entscheidenden Ansatz für die Erreichung der Transformation hin zu nachhaltigeren Ernährungssystemen. Die Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030, welche die Umsetzung der Transformation hin zu nachhaltigen Ernährungssystemen im In- und Ausland unterstützen soll, verweist auf die Ausnutzung agrarökologischer Ansätze zur Stärkung der Resilienz der Ernährungssysteme. Weiter wird der Bundesrat die agrarökologischen Prinzipien bei seinen Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Agrarpolitik berücksichtigen. Die Agrarökologie ist im Arbeitsprogramm 2022–2025 des eidgenössischen Kompetenzzentrums für landwirtschaftliche Forschung Agroscope ein Kernthema und ist ein wertvoller Ansatz, um eine standortangepasste Landwirtschaft zu fördern sowie resiliente und nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme zu schaffen. Auf internationaler Ebene gehört die Schweiz zu den erstunterzeichnenden Staaten der im Rahmen des UNO-Ernährungssystemgipfels gegründeten Agrarökologie-Koalition, die agrarökologische Ansätze in Forschung, Politik und bei Investitionen stärken will. Weiter setzt sich die Schweiz bei multilateralen Institutionen (Food and Agriculture Organization of the United Nations, IFAD, CGIAR) für eine stärkere Berücksichtigung der Agrarökologie ein.
Weiterführende Informationen
Links
Folgeprozess zum UNO Ernährungssystemgipfel 2021
Nachhaltige Ernährung
Agrarökologie
Dokumentation
Folgeprozess zum UNO Ernährungssystemgipfel 2021
Agrarökologie
Letzte Änderung 24.10.2022
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