Der Bundesrat hat am 12. Februar 2020 die Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) verabschiedet. Diese positioniert die Landwirtschaft so, dass den Anliegen der Bevölkerung Rechnung getragen wird. Damit verfügt die Schweizer Landwirtschaft über den passenden Rahmen, um den Mehrwert ihrer Produkte stärker zur Geltung zu bringen. Die Effizienz der Betriebe wird gestärkt und die Umweltbelastung sowie der Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen weiter reduziert. Die Botschaft zur AP22+ enthält auch ein Massnahmenpaket als Alternative zur Trinkwasserinitiative. Der Gesamtbetrag, den der Bundesrat vorsieht, beläuft sich auf 13 774 Millionen Schweizer Franken.
An der Frühlingsession 2021 hat nach dem Ständerat auch der Nationalrat beschlossen, die Beratung über die AP22+ zu sistieren. Der Bundesrat wurde gleichzeitig beauftragt, dem Parlament bis spätestens 2022 einen Bericht zur Beantwortung des Postulats 20.3931 «Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik» vorzulegen. Damit wird das Parlament die Beratung der AP22+ frühestens im Frühling 2023 wiederaufnehmen.
Fragen und Antworten zur AP22+
Einkommen
Wie entwickelt sich mit der AP22+ das Einkommen in der Landwirtschaft?
- Das gemäss dem Modellsystem SWISSland prognostizierte sektorale Einkommen nimmt von 2018 bis 2025 um 228 Millionen Franken zu. Es wächst in dieser Zeitperiode von 2,981 Milliarden Franken auf 3,209 Milliarden Franken.
- Das einzelbetriebliche Einkommen erhöht sich von 63 000 Franken (2018) auf 74 000 Franken (2025), was einer Steigerung um 18 % bzw. 2,4 % pro Jahr entspricht.
- Dabei ist zu beachten, dass zahlreiche mit der AP22+ verknüpfte Einflussfaktoren, die sich positiv auf das Einkommen auswirken dürften, wie beispielsweise die positiven Auswirkungen der Produktionssystembeiträge auf die Wertschöpfung, im Modell nicht berücksichtigt werden.
Verfassungsmässigkeit
Ist die AP22+ konform mit dem neuen Verfassungsartikel 104a?
- Mit Art. 104a wurde ein umfassendes Konzept für Ernährungssicherheit in der Verfassung verankert, das ein nachhaltiges Ernährungssystem sicherstellen soll. Es verlangt:
a) die Sicherung der Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion (insb. Kulturland);
b) eine standortangepasste und ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion;
c) eine auf den Markt ausgerichtete Land- und Ernährungswirtschaft;
d) grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen;
e) einen ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln.
- Ziel von Artikel 104a BV ist nicht, die Inlandproduktion kurzfristig zu maximieren, sondern die Lebensmittelversorgung langfristig sicherzustellen. Daher verlangt der Artikel auch keinen minimalen Selbstversorgungsgrad. Im Kapitel 9.3 der Botschaft zur AP22+ zeigt der Bundesrat auf, wie der Verfassungsauftrag im Rahmen der AP22+ umgesetzt wird. Er stützt sich dabei auf die Abstimmungserläuterungen und den erläuternden Bericht der WAK-S, welche den neuen Art. 104a BV vorgeschlagen hatte.
Selbstversorgungsgrad
Ist mit einem sinkenden Selbstversorgungsgrad die Versorgungssicherheit noch gewährleistet?
- Die landwirtschaftliche Produktion bildet auch mit der Umsetzung der AP22+ den zentralen Pfeiler für die Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit Lebensmitteln.
- Als dicht besiedeltes Land mit wenig landwirtschaftlicher Nutzfläche ist die Schweiz auch auf Importe von Lebens- und Produktionsmitteln angewiesen.
- Heute liegt die Inlandproduktion in gewissen Regionen über dem ökologisch tragbaren Niveau, was sich mittel- und langfristig negativ auf die Produktivität der Landwirtschaft und damit auf die Versorgungssicherheit auswirkt.
- Wichtig ist, dass wir in der Schweiz die Produktionskapazität (z.B. fruchtbarer Boden) erhalten, um in Krisensituationen gezielt reagieren und die Produktion den Bedürfnissen anpassen zu können.
- Mit der AP22+ wird die Ernährungssicherheit mittel- und langfristig besser gewährleistet als bisher.
Versorgung in der Krise
Kann die Versorgung der Bevölkerung in Krisenzeiten mit der AP22+ sichergestellt werden? Hat der Bundesrat dafür eine Strategie?
- Die Inlandproduktion ist nach wie vor der zentrale Pfeiler der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Die mit der AP22+ vorgeschlagenen Massnahmen im Umweltbereich leisten einen Beitrag zur langfristigen Stärkung der Versorgungssicherheit.
- Eine Studie von Agroscope im Auftrag des Bundesamtes für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) hat analysiert, welchen Beitrag die einheimische Produktion im Falle fehlender Importe von Agrarprodukten unter optimaler Nutzung der landwirtschaftlichen Nutzfläche an die Nahrungsmittelversorgung des Landes zu leisten fähig wäre. In der Modellrechnung erreicht das durchschnittliche Energieangebot pro Person und Tag 2340 Kilokalorien und liegt damit im Rahmen des als erforderlichen Minimum angesehenen Werts von 2300 kcal. Der Anteil der pflanzlichen Produkte am Konsum wäre in diesem Fall deutlich höher als heute.
- Der Bundesrat verfügt über eine klare Strategie, welche Massnahmen im Falle einer Versorgungskrise notwendig wären, um die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu garantieren: Heute wird auf mehr als der halben Ackerfläche Futter produziert; in einem Krisenfall würden vermehrt Kulturen zur direkten menschlichen Ernährung angebaut (Kartoffeln, Weizen, Raps, Zuckerrüben) und die Veredelungsproduktion (Geflügel und Schweine) reduziert.
- In Normalzeiten ist es jedoch nicht sinnvoll, das maximale Kalorienproduktionspotenzial auszuschöpfen, weil damit auch weniger Wertschöpfung generiert würde.
- Weiter stehen bei Versorgungsengpässen Pflichtlager zur Verfügung, um den Bedarf der Bevölkerung an lebenswichtigen Nahrungsmitteln für 3 bis 4 Monate decken zu können.
- Zentral zur Sicherstellung der Versorgung ist der Erhalt von landwirtschaftlichem Kulturland, der mit der ersten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG1) deutlich verstärkt wurde.
Konkurrenz zu den Importprodukten
Sollten für Importe nicht die gleichen Minimalstandards gelten wie für die inländische Produktion?
- In der Schweiz gelten für importierte Lebensmittel die gleichen lebensmittelrechtlichen Mindestanforderungen (z.B. maximaler Nitratgehalt) wie für Schweizer Produkte.
- Was die Importregelung bezüglich Produktionsmethoden im Ausland betrifft, bestehen WTO-rechtliche Vorgaben, an die sich die Schweiz halten muss.
- Für die Kennzeichnung importierter Produkte bietet das internationale Recht mehr Spielraum. Dieser wird schon heute breit genutzt.
- Die Schweiz setzt sich im Rahmen der Verhandlungen über Freihandelsabkommen dafür ein, dass Bestimmungen über den Handel und die nachhaltige Entwicklung berücksichtigt werden. Dabei geht es darum, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung (SDG) und deren Erreichung zu fördern.
Absenkpfad
Beinhaltet die AP22+ genügend Massnahmen, um die Zielsetzung eines Rückgangs der Stickstoff- und Phosphorüberschüsse um 10 bzw. 20% zu erreichen?
- Die AP22+ enthält ein Massnahmenpaket, das substanziell zur Reduktion der Nährstoffüberschüsse beiträgt.
- Ob die Ziele erreicht werden, hängt davon ab, wie ambitiös diese Massnahmen ausgestaltet werden und wie sich die Akteure an den Massnahmen beteiligen.
- Zudem werden die Branchenakteure mit Art. 6a LwG in die Pflicht genommen, zusätzliche Massnahmen zu ergreifen.
- Sollte sich abzeichnen, dass die Ziele nicht erreicht werden, wird der Bundesrat verpflichtet, weitergehende Massnahmen zu ergreifen.
Weiterführende Informationen
Links
Dokumentation
Archiv
- Bericht über die Ergebnisse der Vernehmlassung (PDF, 2 MB, 20.08.2019)
- Agrarpolitik ab 2022 (AP22+): Erläuternder Bericht (PDF, 2 MB, 14.11.2018)
- Bundesbeschluss über die finanziellen Mittel für die Landwirtschaft in den Jahren 2022-2025 (PDF, 101 kB, 14.11.2018)
- Änderung: Bundesgesetz über die landwirtschaftliche Pacht (PDF, 109 kB, 14.11.2018)
- Änderung: Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht (PDF, 164 kB, 14.11.2018)
- Änderung: Bundesgesetz über die Landwirtschaft (PDF, 222 kB, 14.11.2018)
- Liste der Vernehmlassungsadressaten AP22+ (PDF, 210 kB, 14.11.2018)
Letzte Änderung 26.08.2021